Die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich immer weiter: Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften, während qualifizierte Kandidat:innen meist aus mehreren Jobangeboten auswählen können. Um weiterhingute Mitarbeiter:innen zu finden, müssen die Kandidaten und Kandidatinnen in den Mittelpunkt gestellt werden: Candidate Centricity bedeutet unkomplizierte Bewerbungsprozesse, die die Bedürfnisse der Bewerber:innen in den Fokus stellen.
Was bedeutet Candidate Centricity?
Candidate Centricity baut auf dem “Candidate First”-Ansatz auf und stellt die Kandidaten und Kandidatinnen von Beginn an in den Mittelpunkt des Recruitingprozesses. Das Ziel ist es, die Candidate Journey, also die Erfahrung, die Kandidat:innen mit dem Unternehmen machen (vom ersten Kontakt mit dem Unternehmen bis zum Onboarding) so aufzubauen, dass sie auf alle Bedürfnisse der potenziellen Bewerber:innen eingeht. Dabei geht es jedoch nicht darum, sich als Unternehmen zu verbiegen, sondern den Kommunikations- und Bewerbungsprozess so zu gestalten, dass passende Kandidaten und Kandidatinnen angesprochen werden, die dann einen einfachen und unkomplizierten Bewerbungsprozess durchlaufen. Um das zu gewährleisten, muss die Zielgruppe von Anfang an klar definiert und die für sie richtigen Recruiting-Kanäle ausgewählt werden.
Jobsuche der Zukunft: Bewerber:innen sind Kundschaft
Um langfristig im Recruiting erfolgreich zu sein, muss ein Mindset-Wandel passieren: Statt Kandidaten und Kandidatinnen als Ressource wahrzunehmen, sollten sie wie Kundschaft gesehen und behandelt werden. Menschen sind es heutzutage gewohnt, bei Online-Bestellungen über jeden Schritt des Lieferprozesses benachrichtigt zu werden. Es ist ganz normal, mit einem Profil verschiedene Produkte online kaufen zu können, ohne jedes Mal neue Daten eingeben zu müssen. Warum ist es also bei der Jobsuche anders? Statt also das Unternehmen und den ausgeschriebenen Job in das Zentrum des Prozesses zu stellen, müssen die Zielgruppe und die potenziellen Bewerber:innen im Mittelpunkt stehen.
Warum ist Candidate Centricity wichtig?
In Zeiten von Fachkräfte- und Personalmangel müssen Unternehmen stärker denn je auf die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe eingehen, um qualifizierte Kandidaten und Kandidatinnen anzusprechen. Die Candidate Experience, also die Erfahrung der Bewerber:innen vom ersten Touchpoint mit dem Unternehmen bis hin zum Onboarding, spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie gibt Unternehmen die Möglichkeit, sich durch eine positive Erfahrung und einen einfachen Bewerbungsprozess von anderen Unternehmen abzuheben. Außerdem führen negative Customer Experiences meist zum Abbruch des Bewerbungsprozesses oder zu Bewerber:innen Ghosting. Sind Bewerber:innen frustriert, weil die Bewerbung zu kompliziert ist oder sie keine Antwort bekommen, wird die Candidate Journey abgebrochen. Durch einen optimierten Bewerbungsprozess, der die Bewerber:innen in den Mittelpunkt stellt, werden Abbrüche reduziert und Bewerber:innen für das Unternehmen begeistert.
Wie kann man Candidate Centricity im Bewerbungsprozess sicherstellen?
Um Candidate Centricity im Recruiting-Prozess sicherzustellen, muss im ersten Schritt geklärt werden, wer die Zielgruppe für die jeweilige Position oder das Unternehmen ist. Wer soll mit den Maßnahmen angesprochen werden und wie sind diese Personen zu erreichen? Oft hilft es hier, Personas zu erstellen oder mit Mitarbeiter:innen zu sprechen, um ein besseres Gefühl für die Zielgruppe zu bekommen. Beim Aufbau der Candidate Journey muss nun bei jedem Schritt nach den Bedürfnissen und Gewohnheiten der potenziellen Kandidaten und Kandidatinnen gefragt werden. Wie denken sie? Wie handeln sie? Welche Kanäle nutzen sie? Wann und warum ist die Frustgrenze erreicht? Darauf aufbauend sollte jeder einzelne Schritt im Bewerbungsprozess so einfach und klar wie möglich gestaltet werden. Eine hohe Serviceorientierung hin zu den Bewerber:innen und transparente Kommunikation unterstützen diesen Prozess. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele für Candidate Centricity im Bewerbungsprozess zu finden.
Keine Candidate Centricity | Candidate Centricity |
Karriereseite ist nicht durch einen Klick erreichbar | Karriereseite ist einfach zu finden und mit einem Klick erreichbar |
Stellenausschreibung nur auf der Karriereseite | Je nach Zielgruppe passende Kanäle: Job-Plattform, Social Media etc. |
Stellenausschreibung gibt kein genaues Gehalt an | Gehalt sowie eventuelle Boni / Bereitschaft zur Überzahlung angegeben |
Die Anforderungen der Stellenanzeige sind widersprüchlich oder unrealistisch | Klare Anforderungen, die dem Profil entsprechen und realistisch sind |
Die Stellenanzeige besteht großteils aus geschichtlichen Infos zum Unternehmen und Aufgaben | Die Stellenanzeige ist klar aufgebaut und gibt kurze Informationen zu allen wichtigen Aspekten (Unternehmen, Job, Bewerber:in, Gehalt, Benefits, Ansprechpartner:in) |
Der Bewerbungsprozess ist auf den Desktop ausgelegt und hat schlechte Usability | Der Bewerbungsprozess ist mobil optimiert und intuitiv |
Informationen müssen mehrmals an verschiedenen Orten eingegeben werden (z.B. die Stelle, auf die man sich bewirbt, Daten etc.) | Informationen werden direkt aus dem Profil übernommen und müssen nicht extra eingegeben werden |
Kein:e Ansprechpartner:in | Ansprechpartner:in wird angegeben |
Lange Formulare und Eingabemasken | One-Klick-Bewerbung |
Anschreiben, Zeugnisse und verschiedene Dokumente werden für die Bewerbung verlangt | Für die Bewerbung wird nur das Nötige (Lebenslauf, einige spezifische Fragen) verlangt |
Die Reaktionszeit beträgt mehr als 3 Tage | Innerhalb von 24 Stunden eine persönliche Reaktion |
Die Kommunikation schwankt zwischen Du & Sie und zwischen verschiedenen Ansprechpersonen | Klare und transparente Kommunikation auf persönlicher Ebene |
Keine Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche | Vorbereitung, Aufmerksamkeit und freundliche Atmosphäre bei Gesprächen |
Keine Absage oder standardisierte Absage | Personalisierte Absage mit Begründung und der Möglichkeit in die Datenbank aufgenommen zu werden |
Auf Bewertungen wird nicht eingegangen | Bewertungen auf Bewertungsplattformen werden beantwortet und reagiert |
Onboardingprozess ist chaotisch und wird nicht an neue Mitarbeiter:innen kommuniziert | Transparenter Onboarding-Prozess, dessen Struktur anfangs kommuniziert wird und auch soziale Aspekte berücksichtigt |
Fazit
Um langfristig und erfolgreich Mitarbeiter:innen zu finden, muss sich der Recruitingprozess zu einem Candidate Centered Prozess wandeln, der die Bewerber:innen in den Mittelpunkt stellt. Das Ziel muss eine unkomplizierte, zielgruppenadäquate Candidate Experience sein, die die Bedürfnisse der Bewerber:innen berücksichtigt. Beginnend bei dem ersten Touchpoint mit dem Unternehmen bis hin zum Onboarding sollte die Candidate Experience von wertschätzender, klarer Kommunikation und unkomplizierten Prozessen geprägt sein.