Coronavirus und Schwangerschaft - Dr. Wolfgang Kinner im Experteninterview

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Aktualisiert: 13.01.2022 Lesedauer: ca 5min

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Anmerkung: Dieses Interview stammt aus dem April 2020. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Impfstoff gegen das Coronavirus. Die Regelungen, die in dem Interview angesprochen werden, können veraltet sein und nicht mehr gelten. Zum derzeitigen Stand (13.01.2022) gilt das Folgende für Schwangere:

  • Das Bundesministerium für Gesundheit empfiehlt die Corona-Schutzimpfung für Schwangere.

  • In Berufen mit Körperkontakt gilt laut Arbeitsinspektion die coronabedingte Sonderfreistellung ab der 14. Schwangerschaftswoche, jedoch keine Freistellung aus medizinischen Gründen.

  • Schwangere sind aufgrund der erschwerten Atmung von der FFP2-Maskenpflicht ausgenommen. Stattdessen wird ein Mund-Nasen-Schutz getragen.

Weitere Informationen findest du auf der Seite der Arbeitsinspektion und des Gesundheitsministeriums.


Der Österreichische Arbeitsmarkt steht nach wie vor vor einer großen Herausforderung, bedingt durch das Coronavirus. Doch auch wenn wir schon viele Aspekte des Arbeitsrechts beleuchtet haben, eine besondere Gruppe fischt noch immer sehr im Dunkeln - Schwangere Frauen. Welche Rechte hast du als werdende Mutter? Unter welchen Voraussetzungen kannst du freigestellt werden? Und welche Regelungen gelten für deinen Mutter-Kind Pass? Anlässlich dazu durften wir ein sehr interessantes Interview mit dem Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsexperten Dr. Wolfgang Kinner führen.

Zur Person

Dr. Wolfgang Kinner ist Rechtsanwalt in Wien und Gründungspartner der auf HR-Recht spezialisierten Kanzlei Kinner Korenjak LAW. Er berät und vertritt Unternehmen und Führungskräfte in allen arbeitsrechtlichen Fragen.

Das Interview

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freistellung in der Schwangerschaft möglich? Ist die Corona-Krise eine Begründung?

"Gemäß § 2a MSchG hat der Arbeitgeber die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von werdenden und stillenden Müttern zu ermitteln und zu beurteilen. Die Gefahren sind im Gesetz nicht abschließend aufgezählt.

Ergibt eine solche Beurteilung, dass eine Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit besteht, so hat der Arbeitgeber diese gemäß § 2b MSchG durch die Änderung der Beschäftigung abzuwehren. Dies kann in einem ersten Schritt durch eine einstweilige Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erfolgen.

Ist eine solche Umgestaltung nicht möglich, hat der Arbeitgeber einen Arbeitsplatzwechsel für die betroffene Arbeitnehmerin vorzunehmen. Eine solche Änderung muss sich aber im Rahmen des Arbeitsvertrages bewegen, andernfalls darf die Arbeitnehmerin die Veränderung ablehnen. Besteht kein geeigneter Arbeitsplatz, so ist die Arbeitnehmerin als letzte Möglichkeit von der Arbeit freizustellen.

Nach heutigen Stand (16.04.2020) zählen Schwangere nicht zur Risikogruppe.

Dennoch sind für Schwangere besondere Schutzmaßnahmen zu beachten:

  • In Bereichen der unmittelbaren Betreuung im Gesundheitsbereich (Tragen von Schutzmasken mit mindestens Kategorie FFP1 notwendig) dürfen Schwangere nicht arbeiten, da die Masken die Atmung erschweren und dies für Schwangere verboten ist.

  • In Bereichen mit erhöhtem Kundenkontakt sollten Schwangere soweit wie möglich vom direkten Kundenkontakt ferngehalten und anderweitig im Betrieb eingesetzt werden.

  • In Bereichen, in denen der Schutzabstand nicht eingehalten werden kann, dürfen Schwangere nicht eingesetzt werden.

In einer Vereinbarung der Sozialpartner für den Handel werden die Betriebe ersucht, Schwangere vom Dienst frei zu stellen, es gibt jedoch keine Verpflichtung dafür."

Hebt die Freistellung der Schwangeren die Kurzarbeit auf?

"Ob generell eine Freistellung, auch wegen Schwangerschaft, während der Inanspruchnahme von geförderter Kurzarbeit möglich ist, ist noch nicht ausdrücklich geklärt.

Diese Frage hat zwei Dimensionen: Gebührt der schwangeren Arbeitnehmerin während der Kurzarbeit lediglich das reduzierte Kurzarbeits-Entgelt, oder das (den Berechnungsgrundsätzen des MSchG entsprechende) durchschnittliche Entgelt vor Kurzarbeit? Gebührt dem Arbeitgeber für die Dauer der Kurzarbeit Kurzarbeitsbeihilfe des AMS?

Grundsätzlich gebührt während Kurzarbeit in Phasen, in denen der Arbeitgeber trotz Unterbleibens der Arbeitsleistung arbeitsrechtlich zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer das durchschnittliche Entgelt vor Kurzarbeit und gebührt für diese Ausfallstunden keine Kurzarbeitsbeihilfe

Solange für Freistellungen iSd § 2b MSchG nichts anderes ausdrücklich geregelt ist, wird dasselbe Prinzip wohl auch für Freistellungen während der Schwangerschaft gelten."

Wenn die Schwangere in Kurzarbeit ist, worauf basiert das Karenzgeld dann? Auf dem Kurzarbeitsgehalt oder dem normalen Gehalt?

"Auch wenn sich eine Schwangere in Kurzarbeit befindet, berechnet sich sowohl das Wochen- als auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld auf Basis des Gehalts, welches vor der Kurzarbeit ins Verdienen gebracht wurde."

Kann ich während der Corona-Krise entlassen werden wenn ich schwanger bin? An wen soll ich mich wenden, wenn mein Arbeitgeber mich trotz Schwangerschaft entlassen möchte?

"Während der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Entbindung genießt die Arbeitnehmerin besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Deshalb können Schwangere nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichtes gekündigt oder entlassen werden. Daran ändert auch die Corona-Krise nichts.

Das Gericht darf eine Zustimmung zur Entlassung nur dann geben, wenn einer der nachfolgenden Gründe vorliegt:

  • Die Arbeitnehmerin verletzt grob schuldhaft die ihr aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten (insb. wenn sie ohne rechtmäßigen Hintergrund und während einer erheblichen Zeit die Arbeitsleistung unterlässt);

  • Die Arbeitnehmerin ist im Dienst untreu oder wendet sich ohne Wissen des Arbeitsgebers von Dritten unberechtigte Vorteile zu;

  • Die Arbeitnehmerin verrät ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis oder betreibt ohne Einwilligung des Arbeitgebers ein abträgliches Nebengeschäft;

  • Die Arbeitnehmerin lässt sich Tätlichkeiten oder ehrbliche Ehrenverletzungen gegen den Arbeitgeber oder dessen anwesenden Familienangehörigen zuschulden kommen;

  • Die Arbeitnehmerin macht sich einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig, die vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist oder eine mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung.

Häufiger als die fristlose Entlassung aus wichtigem Grund wird die Kündigung durch den Arbeitgeber in Betracht kommen. Wie die Entlassung ist auch die Kündigung nur dann möglich, wenn das Gericht vorab zustimmt.

Die gerichtliche Zustimmung darf nur in zwei Fällen erfolgen:

  • wenn der Arbeitgeber das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stilllegung des Betriebes oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrechterhalten kann oder

  • wenn sich die Arbeitnehmerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nach Rechtsbelehrung der Parteien durch den Vorsitzenden über den Kündigungsschutz mit der Kündigung einverstanden erklärt.

Erst nachdem das Gericht seine Zustimmung zur Kündigung (durch Urteil) gab, kann der Arbeitgeber die Kündigung – unter Einhaltung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin – wirksam aussprechen.

Eine Ausnahme gibt es allerdings für vollständige Betriebsstillegungen: Nachdem ein Betrieb vollständig stillgelegt wurde, bedarf es für die Kündigung keiner gerichtlichen Zustimmung und die Kündigung kann wirksam ausgesprochen werden. Sollte der Betrieb jedoch binnen 4 Monaten seine Tätigkeit wieder aufnehmen, so ist die Kündigung als rechtsunwirksam anzusehen, wenn die gekündigte Arbeitnehmerin dies beim Arbeitgeber geltend macht (das Mutterschutzgesetz sagt „beantragt“).

Wird eine werdende Mutter unrechtmäßig, nämlich ohne gerichtliche Zustimmung gekündigt oder entlassen, so hat sie das Wahlrecht, ob sie die Kündigung/Entlassung gegen sich gelten lassen will oder ob sie sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung/Entlassung beruft. Beim zweitem Fall besteht das Arbeitsverhältnis weiter. Lässt sie die Kündigung/Entlassung gegen sich gelten, hat sie Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung bis zum Zeitraum von vier Monaten nach der Entbindung plus anschließender Kündigungsfrist, abzüglich des Zeitraumes des Wochengeldbezuges.

Für Hilfe kann sich die Schwangere an ihre gesetzliche (Arbeiterkammer) oder freiwillige (Gewerkschaft) Interessenvertretung oder natürlich auch an RechtsanwältInnen wenden, va wenn entsprechender Versicherungsschutz durch eine Rechtsschutzversicherung besteht."

Worauf muss ich achten, wenn ich meine im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebenen Untersuchungen wegen der Corona-Krise nicht nachkommen kann? Kann ich irgendwelche Ansprüche verlieren? (zB das volle Kinderbereuungsgeld ab dem 21. Lebensmonat des Kindes)

"Soweit die Untersuchungen aufgrund des Corona-Virus für die Eltern derzeit nicht möglich bzw nicht zumutbar sind, stellt dies ein nicht von den Eltern zu vertretender Grund dar (gem § 7 Abs 3 Z 1 und § 24c Abs 3 Z 1 KBGG).

Untersuchungen können daher verschoben werden, ohne dass es zu Kürzungen des Kinderbetreuungsgeldes kommt. Sobald die Untersuchungen wieder möglich und noch geboten sind, sollten diese nach Wegfall der besonderen Umstände unverzüglich nachgeholt werden."

Wir hoffen, dass dieser Artikel deine Fragen beantworten konnte und möchten uns nochmals herzlich bei Dr. Wolfgang Kinner bedanken, dass er uns für ein Interview zur Verfügung gestanden ist. Hier geht es zur Website des Arbeitsrechtsexperten.

Zur Person

Dr. Wolfgang Kinner ist Rechtsanwalt in Wien und Gründungspartner der auf HR-Recht spezialisierten Kanzlei Kinner Korenjak LAW. Er berät und vertritt Unternehmen und Führungskräfte in allen arbeitsrechtlichen Fragen.

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