Das höchst umstrittene Freihandelsabkommen CETA, zwischen der EU und Kanada, wurde heute offiziell bestätigt. Bis zuletzt gab es in jeder Regierungsebene, zwischen EU-Abgeordneten und natürlichen Parteien große Differenzen über die Sinnhaftigkeit eines solchen Vertrags mit dem nordamerikanischen Staat. Wir beleuchten in diesem Artikel speziell die möglichen Auswirkungen von CETA auf den österreichischen Arbeitsmarkt.
Kurzinfo: Kanada und die USA
Im flächenmäßig zweitgrößten Staat der Welt (nach Russland) leben „nur“ 36 Millionen Einwohner. Vom Bruttoinlandsprodukt her ist Kanada zumeist noch knapp in den weltweiten Top-10 zu finden. Die historische Beziehung zur USA ist durch ihre weitläufig gemeinsame Grenze im Süden und Westen des Landes enorm gefestigt und deren Wirtschaft stark miteinander verwoben. Was Handelsverträge und Regularien angeht, gilt Kanada durch die staatliche und kulturelle Nähe zu den USA als „Hintertür“ für Tochterunternehmen oder Zweigstellen von Firmen des Nachbarlandes. Im Falle von CETA, ermöglicht das auch amerikanischen Firmen indirekt Zugang zu den gelockerten Handelsbedingungen der EU zwischen Kanada, weshalb das Freihandelsabkommen eine zusätzliche Brisanz mit sich bringt.
Die geplanten Vorteile
Das Wegfallen von Zöllen zwischen der EU und Kanada erspart exportierenden, bzw. importierenden Unternehmen eine Menge Kosten, was den internationalen Handel zusätzlich ankurbeln soll. Die Vereinheitlichung von Regularien, Sicherheitsbestimmungen und behördlichen Wegen verringert die Bürokratie, vereinfacht den interkontinentalen Handel und macht ihn so auch für kleinere Unternehmen leichter zugänglich. CETA soll dadurch die Wirtschaft beider Regionen ankurbeln und mehr Arbeitsplätze für jedermann schaffen.
Die möglichen Nachteile:
Speziell eingesetzte Sondergerichte entscheiden nun bei Streitfragen zum Thema CETA. Diese staatlich unabhängigen Gerichte könnten je nach Fall und Rechtsauslegung im Sinne der Unternehmen entscheiden und sich über geltende Gesetzte im jeweiligen Land hinwegsetzen. Die Beeinflussung von Arbeitsbedingungen, Arbeitnehmerrechten, Sozialansprüchen und Lohnanpassungen zugunsten von Konzernen, kann nicht ausgeschlossen werden. Die sogenannte „Regulierungszusammenarbeit“ soll gesetzliche Standards in der EU und Kanada vereinheitlichen, damit gleiche Bedingungen für beide Seiten geschaffen werden.
Die Probleme der Globalisierung vorantreiben
Durch den Wegfall von Zöllen zwischen der EU und Kanada wird es künftig für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks noch profitabler sein, Waren in Billiglohnländern produzieren zu lassen und nun zollfrei gegenseitig zu exportieren. Damit wird vor allem die Massenindustrie noch stärker in Bedrängnis gebracht. Die einhergehende Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China, Indien und Co. könnte somit noch weiter steigen. Von der gesteigerten Exportkraft sollten Klein und Mittelunternehmen profitieren, hieß es von Seiten der CETA-Befürworter. Doch nur knapp 600.000 der 21 Millionen KMU’s in der EU handelt außerhalb des Binnenmarktes. Und selbst diesen bereitet die Marktmacht der amerikanisch / kanadischen Großkonzerne gehörig Sorgen. Die Landwirtschaft wird es wohl am härtesten zu spüren bekommen: Für Kleinbauern und regionale Betriebe geht es schon länger um jeden Cent. Nun wo der Markt für global agierende, nordamerikanische Unternehmen weit geöffnet wurde, ist die finanzielle Existenz von heimischen Bauern noch weiter gefährdet. Die geringeren Standards in der Lebensmittelherstellung und dementsprechend niedrigeren Produktionskosten in Kanada, machen dies möglich. Stichwort genmanipulierte Lebensmittel.
Weniger Arbeitsplätze statt mehr?
Stark vergünstigte Lebensmittel und Waren aus Nordamerika werden vermehrt auf den europäischen Markt drängen und nicht nur heimischen Bauern Kopfzerbrechen machen, sondern auch zahlreichen Großunternehmen aus Österreich höchstwahrscheinlich deutliche Umsatzeinbußen bescheren. So gut wie keine Branche bliebe davon verschont: Ein EU-weit massiver Beschäftigungsabbau wäre die logische Folge. Laut realistischen, nicht von der Industrie bezahlten Studien, welche Daten der UNO als Basis für ihre Prognosen herziehen, wird es aufgrund des Handelsabkommens innerhalb von 5 Jahren zu einem geschäzten Verlust von über 200.000 Arbeitsplätzen in der gesamten EU kommen.
Die große Frage ist ob die allgemeine Kostensenkung und damit Profitsteigerung der Firmen auch bei den Arbeitnehmern ankommt und tatsächlich mehr Arbeitsplätze entstehen werden. In Zeiten wo die Einkommens-Schere immer weiter auseinandergeht und Rekordarbeitslosigkeit das Thema Nummer 1 ist, wird dieser Punkt von Abkommens-Gegnern enorm skeptisch gesehen.
Ob CETA nun im Großen und Ganzen dem österreichischen Arbeitnehmer und der Wirtschaft zu Gute kommt oder gar negative Auswirkungen hat, wird sich wohl erst zeigen.
Quellen:
parlament.gv.at
oegfe.at
trade.ec.europa.eu
zeit.de/wirtschaft
orf.at/stories/2379486