Im hektischen Arbeitsleben kann es vorkommen, dass Arbeitnehmerinnen in bestimmten Situationen zusätzliche Arbeitsstunden leisten müssen, um die Anforderungen des Jobs zu bewältigen. Die Begriffe "Überstunden" und "Mehrstunden" werden oft synonym verwendet, aber es gibt rechtliche Unterschiede, die Arbeitnehmerinnen kennen sollten. In diesem Artikel werden wir alle wichtigen Aspekte von Überstunden und Mehrstunden gegenüberstellen und erklären, was es mit den Regelungen und Versteuerungen auf sich hat.
Überstunden und Mehrstunden: Der Unterschied
Überstunden sind Arbeitsstunden, die über die gesetzlich festgelegte tägliche Normalarbeitszeit (meist 8 Stunden) oder wöchentliche Normalarbeitszeit (meist 40 Stunden) hinausgehen. Die gesetzliche Normalarbeitszeit kann z.B. durch Kollektivverträge verändert werden, es muss sich also nicht immer um 40 Stunden pro Woche bzw. 8 Stunden am Tag handeln. Überstunden werden meistens dann geleistet, wenn die Arbeitgeberin sie anordnet oder wenn es dringend erforderlich ist, die Arbeit abzuschließen.
Mehrstunden oder “Mehrarbeitszeit” hingegen beziehen sich auf die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit. Es handelt sich also um Arbeitsstunden, die über deine individuelle Normalarbeitszeit hinausgehen, aber innerhalb der gesetzlichen Normalarbeitszeit liegen. Das ist der Fall, wenn Teilzeitarbeitende in einer Woche mehr arbeiten, als in ihrem Arbeitsvertrag festgelegt ist. Nur wenn die Mehrstunden die gesetzlich bzw. kollektivvertraglich festgelegte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit überschreiten, gelten diese als Überstunden.
Beispiel 1:
Du hast einen Teilzeitjob, bei dem deine Normalarbeitszeit mit 25 Wochenstunden bzw. täglich 5 Stunden im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Diese Woche bittet dich deine Chefin, an einem Tag 2 Stunden länger zu arbeiten, um ein Projekt abzuschließen. Du stimmst zu und hast damit 2 Stunden Mehrarbeit geleistet.
Beispiel 2:
Du hast einen Teilzeitjob, bei dem deine Normalarbeitszeit von 15 Wochenstunden auf 2 Tage mit je 7,5 Stunden aufgeteilt ist. Diese Woche bittet dich deine Chefin, an einem Tag 2 Stunden mehr zu arbeiten, um ein Projekt abzuschließen. Du stimmst zu und hast somit eine halbe Stunde Mehrarbeit und 1,5 Überstunden geleistet.
Überstunden: Rechtliche Regelungen
Überstunden werfen immer wieder Fragen auf: Darf ich Überstunden ablehnen oder muss ich sie leisten? Und wie viel bekomme ich eigentlich für Überstunden? Hier kommen die wichtigsten Antworten.
Überstunden ablehnen - geht das?
Gibt es einen erhöhten Arbeitsbedarf, sind 20 Überstunden pro Woche zulässig. Die Maximalarbeitszeit liegt bei täglich 12 Stunden bzw. wöchentlich 60 Stunden inklusive Überstunden - du darfst also mit Überstunden nicht mehr als 12 Stunden täglich arbeiten. In den folgenden Fällen darf dir deine Arbeitgeberin Überstunden anordnen:
Betrieblicher Notstand macht es erforderlich
Dein Kollektivvertrag, Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung verpflichten dich dazu, Überstunden zu leisten
Hast du in deinen Verträgen keine Verpflichtung zu Überstunden, kann deine Arbeitgeberin dich (außer in betrieblichen Notfällen) nicht dazu verpflichten, Überstunden zu leisten. Du kannst also, sofern du keine vertragliche Verpflichtung zur Leistung von Überstunden hast, auch ablehnen. Hast du dich vertraglich dazu verpflichtet oder schreibt es eine Betriebsvereinbarung/dein KV vor, kannst du Überstunden nur ablehnen, wenn du wichtige Gründe hast, beispielsweise Kinderbetreuung oder einen dringenden Arzttermin. Diese Gründe müssen schwerer wiegen als die Interessen der Firma, wobei es hier keine genaue Richtlinie gibt. Wenn du bereits mehr als 50 Wochenstunden oder 10 Stunden am Tag gearbeitet hast, kannst du ohne Angabe von Gründen ablehnen, weitere Überstunden zu machen.
Bezahlung für Überstunden
Überstunden werden grundsätzlich bezahlt, können jedoch auch als Zeitausgleich abgegolten werden, wenn sowohl Arbeitgeberin als auch Arbeitnehmerin dem zustimmen. Überstunden werden mit 150% abgegolten, also dem 1,5-fachen. Arbeitest du also eine Überstunde, bekommst du 50% Zuschlag, also das Gehalt für 1,5 Arbeitsstunden ausbezahlt oder 1,5 Arbeitsstunden frei. Es gibt auch die Möglichkeit, die Überstundenkompensation zu teilen: Für eine Überstunde kannst du dann eine Stunde Zeitausgleich nehmen und den Zuschlag von 50% ausbezahlt bekommen. In diesem Fall gelten jedoch andere steuerliche Regeln (siehe unten). Überstunden an Sonn- und Feiertagen werden mit 200% ausgeglichen, also dem doppelten Gehalt. Machst du an einem Sonntag Überstunden, steht dir also ein Zuschlag von 100% zu.
Überstunden bei Gleitzeit
Hast du eine Gleitzeit-Regelung, fallen Überstunden nur an, wenn:
die Arbeitszeit außerhalb des Gleitzeitrahmens stattfindet oder
die täglich Normalarbeitszeit von 10 Stunden überschritten wird oder
Gutstunden die Übertragungsmöglichkeit in die nächste Gleitzeitperiode überschreiten.
In allen anderen Fällen zählen zusätzliche Arbeitsstunden zur Normalarbeitszeit und werden 1:1 im Rahmen des Gleitzeit-Verhältnisses wieder abgebaut. Am Ende des Arbeitsverhältnisses müssen offene Zeitguthaben mit einem Zuschlag von 50% ausbezahlt werden, sofern es sich nicht um einen vorzeitigen Austritt der Arbeitnehmerin handelt oder der geltende KV andere Regelungen vorsieht.
All-In-Verträge
All-In-Verträge sind Arbeitsverträge, bei denen sich die Arbeitnehmerin dazu verpflichtet, Mehrarbeit zu leisten, wenn diese anfällt. Im Gegenzug ist das Gehalt höher als im KV vorgesehen - auch dann, wenn keine Mehrarbeit anfällt. In All-In-Verträgen ist also eine gewisse Anzahl an Überstunden abgedeckt. Du verpflichtest dich beispielsweise, 10 Überstunden im Monat zu leisten, wenn diese anfallen, dafür bekommst du ein deutlich höheres Grundgehalt, auch wenn du nur 5 Überstunden oder keine leistest. Diese 10 Überstunden im Monat kannst du aber nicht ablehnen - wenn sie anfallen, musst du sie machen. Leistest du über einen längeren Zeitraum regelmäßig mehr Überstunden, müssen diese extra abgegolten werden.
#hokifyexpertentipp: Auch Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld und Entgeltfortzahlung bei Krankenstand werden auf Basis des höheren Grundgehalts berechnet.
Mehrarbeit: Rechtliche Regelungen
Auch für Mehrarbeit gibt es Regelungen, an die sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeberinnen halten müssen.
Verpflichtung zur Mehrarbeit
Grundsätzlich soll Mehrarbeit die Ausnahme sein und nicht die Regel. Du darfst Mehrarbeitszeit ablehnen, wenn du wichtige Gründe hast, die schwerer wiegen als die Interessen des Unternehmens, beispielsweise Kinderbetreuung. Außerdem müssen Mehrarbeitsstunden so früh wie möglich angekündigt werden. Bist du in Elternteilzeit, bist du nicht zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet.
Bezahlung für Mehrarbeit
Grundsätzlich werden Mehrarbeitsstunden mit Geld und einem Zuschlag von 25% abgegolten, also dem 1,25-fachen deines normalen Stundenlohns. Ist Bezahlung als Kompensation für Mehrarbeit vereinbart, bekommst du also 25% mehr als für eine normale Arbeitsstunde. Ist Zeitausgleich vereinbart, bekommst du diese zusätzlichen 25% jedoch nur dann, wenn du den Zeitausgleich nicht innerhalb eines 3-Monats-Zeitraums bekommst.
#hokifyexpertentipp: Für den Unterschied zwischen der kollektivvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit (z.B. 38,5 Stunden) und der gesetzlichen Normalarbeitszeit (40 Stunden) bekommst du nur dann einen Zuschlag, wenn der Kollektivvertrag das vorsieht. Ansonsten ist diese Zeit zuschlagsfrei.
Versteuerung von Mehrarbeit und Überstunden
Der Grundlohn für Überstunden (also der Stundenlohn ohne Zuschläge, den du für geleistete Überstunden bekommst) ist ganz normal zu versteuern. Grundsätzlich müssen auch Zuschläge für Überstunden und Mehrarbeitsstunden versteuert werden, jedoch gibt es für Überstunden einen Freibetrag, der steuerfrei ist. Der Freibetrag für Überstunden gilt pro Monat:
für maximal 10 Überstundenzuschläge
die maximal 50% des Grundlohns betragen
und nicht höher als 86€ sind.
Alle Überstunden, die diesen Freibetrag überschreiten, müssen normal versteuert werden. Dabei ist es nicht möglich, Überstunden in den nächsten Monat “mitzunehmen” und dann in den Freibetrag einzurechnen, sondern es gelten immer nur die Überstunden des aktuellen Monats. Hast du also beispielsweise in einem Monat 12 Überstunden gemacht, müssen 2 davon ganz normal versteuert werden.
#hokifyexpertentipp: Mehrarbeitszuschläge, die aufgrund von kollektivvertraglich geregelter kürzerer Arbeitszeit (z.B. 38,5 Wochenstunden) entstehen, gelten als Überstundenzuschläge und können begünstigt abgerechnet werden. Für sie gilt dieselbe Regelung.
Benachteiligung
Grundsätzlich gilt: wenn du Überstunden ablehnst (aus wichtigen Gründen oder auch weil du schon 50 Stunden in der Woche gearbeitet hast) darfst du deswegen nicht anders behandelt oder benachteiligt werden. Es darf dir also nicht weniger Gehalt ausgezahlt werden oder du bei Beförderungen oder Versetzungen deswegen nicht berücksichtigt werden. Du darfst deswegen auch nicht gekündigt oder entlassen werden.
Fazit
Überstunden und Mehrarbeit sind zusätzliche geleistete Arbeitsstunden. Sie unterscheiden sich darin, dass Überstunden die gesetzliche Normalarbeitszeit überschreiten, während Mehrarbeitsstunden bei Teilzeitverhältnissen in die Differenz zwischen der individuell vereinbarten Arbeitszeit und der kollektivvertraglichen bzw. gesetzlichen Normalarbeitszeit fallen. Mehrarbeit wird mit einem Zuschlag von 25% vergütet, normale Überstunden mit einem Zuschlag von 50%, Überstunden an Sonn- und Feiertagen mit 100%. Grundsätzlich gilt, dass du maximal 12 Stunden am Tag und maximal 60 Stunden die Woche arbeiten darfst. Unter bestimmten Umständen kannst du Überstunden auch ablehnen.